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Schöner und schmutziger als Werder |
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Schöner und schmutziger als Werder
Was ist grün und weiß und stinkt nicht nach Fisch? Weil Henrik Larsson Bremen mal aus dem Europacup schoss, betrügt Werder-Fan Lukas Rilke seinen Verein - mit der fernen Flamme Celtic. Heute traf seine Geliebte wieder einmal auf den Stadtrivalen Rangers.
Spötter rufen ihn Flohtaxi, für Millionen Schotten und Schweden ist er ein Fußballgott. Dass mein Verein Werder Bremen in der Saison 1994/95 im Achtelfinale des Pokals der Pokalsieger gegen Feyenoord Rotterdam verlor, lag an einem jungen Stürmer mit Dreadlocks. Sein Name: Henrik Larsson. Er schoss im Hinspiel den 1:0-Siegtreffer und im Rückspiel drei Tore zum 4:3 Auswärtserfolg im Weserstadion. Ich war 14 Jahre jung, wütend über die Niederlage, die Gegentore und ein bisschen persönlich nahm ich es auch. Ganz so deutlich hätte mein Verein ja nun nicht ausscheiden müssen.
Aber diesem Larsson hatte ich schnell verziehen. Ich hatte ihn 1994 schon bei der WM in den USA bewundert, wo er mit einem Tor im Viertelfinale gegen Rumänien großen Anteil am dritten Platz der Schweden hatte. Er spielte so, wie man selber gerne kicken möchte: schnell, kraftvoll, elegant und überhaupt ganz anders als Werders damalige Stürmer Wladimir Bestschastnych und Marco Bode. Im Hinspiel war wenigstens noch mein Lieblingsspieler Wynton Rufer zum Einsatz gekommen.
Das Aus im Europapokal machte mich nachdenklich: Waren die braven Bremer um Bode, Basler und solch graue Mäuse wie Manni Bockenfeld doch nicht das Ende der Fahnenstange? Trotz dieser Zweifel blieb ich Werder auch in den kommenden Jahren treu, sah "Fußballgott" Havard Flo kommen und Bernd Hobsch. Aber wenn irgendwo ein Spiel mit Larsson übertragen wurde, zog es mich vor den Fernseher.
In der Saison 1997/1998 wechselte "Henke" mit pflegeleichtem Kurzhaarschnitt zu Celtic Glasgow und es begann eine Club-Liebe auf Distanz. Larsson im Angriff, der schmutzig-schöne Fußball der schottischen Liga, der monumentale Celtic Park, Celtics lautstarke Fans - und all das in grün-weißen Trikots! Ein Werder-Konzentrat. Ausgerechnet in seiner ersten Saison drohte Larsson der Super-GAU. Seit dem Titelgewinn des FC Aberdeen 1985 hatten die Glasgower Vereine Celtic und Rangers den Meistertitel unter sich aufgeteilt.
1998 standen die Rangers kurz davor, ihre zehnte Meisterschaft in Serie zu feiern - das war zuvor noch keinem der beiden Rivalen geglückt. Larsson erzielte 16 Tore in seiner ersten Saison und verhinderte die Schmach. "You'll never get ten in a row!" – "ihr werdet nie zehn Titel nacheinander holen", sangen die Anhänger der "Bhoys". Den letzten historischen Erfolg gab es in der Saison 2001: Celtic gewann beide schottischen Pokale sowie die Meisterschaft.
Larssons Sturmpartner in der folgenden Saison hieß John Hartson. Ein Angreifer der Marke "very british": Sein kahlrasierter Schädel, ein roter Fünf-Tage-Bart und eine nicht eben filigrane Spielweise verteilt auf 1,85 Meter zeichneten den Waliser aus, der seine Laufbahn mit dem schönen Spruch beendete: "Ich habe in meiner Karriere geraucht, getrunken, Drogen genommen und ein Schaf entführt. Sorry für alles!" Eine Beichte, fast auf Höhe von George Best - bis auf das Schaf. Und das "Sorry".
Diese Erfolge waren für den Club von großer symbolischer Bedeutung. Denn die beiden Vereine verbindet seit jeher eine der erbittertsten Rivalitäten des Weltfußballs. Celtic und die Rangers stehen für verschiedene Konfessionen, nationale Identitätsgefühle und soziale Klassen. 1888 von dem Mönch "Walfrid" gegründet, sollte Celtic ursprünglich die Integration der katholischen Einwanderer aus Irland in Glasgow vorantreiben.
Das Vorhaben, einen Verein zu gründen, den Schotten und Iren, Protestanten wie Katholiken unterstützen, ist grandios gescheitert. Stattdessen dienen beide Vereine noch immer als Vehikel, um den Glaubenskrieg fortzuführen. Bei den Rangers spielten noch bis 1989 prinzipiell nur protestantische Spieler, Celtic verpflichtete vorwiegend Katholiken. So sehr der Friedensprozess zwischen den Konfessionen in Nordirland und Irland auch in den vergangenen Jahren vorangeschritten ist: Das Treffen der beiden Glasgower Vereine beschwört die alten Feindschaften stets aufs Neue herauf.
Das Lokalderby "The Old Firm" ist ein symbolischer, 90-minütiger Religions- und Klassenkampf. Diese Rivalität nutzt einfach nicht ab, auch wenn beide Teams nun bereits zum 378. Mal aufeinander trafen (die Rangers gewannen 1:0 - der vierte Derby-Sieg in Folge, der vierte zu Null). Larsson stand nicht mehr auf dem Platz. Der heute 36-Jährige verließ Celtic bereits zur Saison 2004/2005 in Richtung FC Barcelona. Vielleicht auch, um allen Kritikern zu zeigen, dass er nicht nur in einer Liga bestehen kann, in der es nur einen ernstzunehmenden Gegner gibt.
In Barcelonas Star-Ensemble kam er oft nur zu Kurzeinsätzen, traf in der Champions-League-Vorrunde gegen seinen Ex-Club und wurde von den Celtic-Fans frenetisch gefeiert. Im Champions-League-Finale 2006 zwischen dem FC Barcelona und dem FC Arsenal saß er zunächst nur auf der Bank. Beim Stand von 0:1 kam Larsson in der 61. Minute für den heutigen Bayern-Profi Mark van Bommel ins Spiel, bereitete in der Schlussviertelstunde die Tore von Stürmer Samuel Eto'o und Verteidiger Juliano Belletti zum 2:1-Sieg vor und krönte mit 34 Jahren seine Karriere.
Nach einem kurzen Gastspiel bei Manchester United spielt Larsson heute wieder bei seinem Heimatverein Helsingborgs IF in der ersten schwedischen Liga. Den Pokal der Pokalsieger gibt es nicht mehr, aber vielleicht treffen Bremen und Helsingborg ja im Uefa-Cup oder in der Champions League mal aufeinander. Diego, Frings und Rosenberg gegen das Flohtaxi, das wäre ein gelungenes Ende unserer gemeinsamen Zeit.
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finde es ser tolle story, wat sagt ihr dazu?
Dieser Beitrag wurde 2 mal editiert, zum letzten Mal von Basis-Raute 1899: 24.02.2009 08:46.
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